Johann Coaz war in vielerlei Hinsicht ein Pionier: Als Alpinist und Vermesser bestieg er die höchsten Büdner Berge, unternahm dabei nicht weniger als 21 Erstbesteigungen. Als Sekretär von General Henri Dufour während des Sonderbundskrieges war er an vorderster Front bei der Entstehung des Schweizerischen Bundesstaates dabei. Zudem hat sein Wirken die Waldwirtschaft und die Landschaft des 19. Jahrhunderts geprägt – und tut es bis heute.
Bis im Alter von 92 Jahren umtriebig im Berufsleben
1822 in Antwerpen als Sohn eines Bündner Solddienstoffiziers in holländischen Diensten geboren, liess er sich als junger Mann im heutigen Deutschland an der königlich-sächsischen Forstakademie zum Forstingenieur ausbilden. Zurück in der Schweiz wirkte er zuerst als Gebirgstopograf für das eidgenössische Topografische Büro. Danach arbeitete er mehr als zwei Jahrzehnte für das Forstamt des Kantons Graubünden und kurze Zeit für jenes des Kantons St. Gallen, ehe ihn der Bundesrat 1875 zum ersten eidgenössischen Forstinspektor wählte. Während beinahe vierzig Jahren führte er dieses Amt aus, bis er mit 92 Jahren schliesslich in den Ruhestand ging. In seinen Funktionen als Forstinspektor organisierte Johann Coaz das Forstwesen komplett neu und schuf gesetzliche Regelungen für eine nachhaltige Waldwirtschaft – ganz nach dem Prinzip: Nur so viel Holz schlagen wie nachwächst.
Johann Coaz war ein nimmer rastender Tausendsassa: So plante er auch die ersten Lawinenverbauungen der Schweiz, befasste sich mit der Meteorologie, legte Herbarien an und experimentierte mit exotischen Bäumen. Mit seiner Arbeit legte er überdies den Grundstein für die heutige Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Zudem gehörte er zu den Förderern des Schweizer Nationalparks. Bis ins hohe Alter engagierte sich Coaz für die im 19. Jahrhundert ins Bewusstsein gerückte Umweltpolitik. Durch seine beruflichen Tätigkeiten war Johann Coaz oft unterwegs und pflegte seine Netzwerke mit den Behörden oder den führenden Wissenschafter seiner Zeit.
Autorin und Autor sprechen in Altdorf
Eine neue Publikation beleuchtet nun das Leben und Wirken von Johann Coaz. «Nutzen und schützen. Johann Coaz (1822–1918), der Wald und die Anfänge der schweizerischen Umweltpolitik» von Karin Fuchs, Paul Eugen Grimm und Martin Stuber ist das Resultat eines Forschungsprojekts des Instituts für Kulturförderung Graubünden. Tagebücher, Briefe und Veröffentlichungen des umtriebigen Chefbeamten ermöglichten dabei einen intimen Blick auf die dynamischen Anfangsjahre des Schweizer Bundesstaates.
Am Montag, 21. März 2022, findet um 18 Uhr im Uristiersaal in Altdorf eine Buchpräsentation statt – organisiert vom Urner Institut «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern. Mit dabei sind die Autorin und einer der beiden Autoren: Dr. Karin Fuchs vom Institut für Kulturforschung Graubünden und Dr. Martin Stuber vom Historischen Institut der Universität Bern. Dr. Romed Aschwanden, Geschäftsführer des Instituts «Kulturen der Alpen» führt, durch das Programm.
Gebirgsgemeinden profitierten vorerst vom Raubbau
Es ist kein Zufall, dass dieses Buch nun ausgerechnet im Kanton Uri präsentiert wird. Die Wälder der Gebirgskantone Uri, Tessin, Wallis und Graubünden standen stets besonderes im Fokus von Johann Coaz Aufmerksamkeit. Gleichzeitig wirkte der Forstingenieur vielerorts als Experte, so auch in den Bannwäldern von Altdorf und im Urserntal.
Mit seinen Ideen zur nachhaltigen Forstwirtschafts stiess Johann Coaz zu seiner Zeit aber nicht nur auf Gegenliebe – und dies, obwohl die Wälder vielerorts übernutzt und kahlgeschlagen waren. Die schnell wachsenden Städte und die Industrialisierung hatten immer mehr Holz benötigt, für viele Kantone und Gemeinden war der Wald wiederum eine wichtige Verdienstquelle. Wo eine Nachfrage ist, gibt es ein Angebot – so wurden die Wälder vielerorts abgeholzt, ohne dass sie je wieder aufgeforstet worden wären. Und wo noch junge Zweige nachgewachsen wären, liess die Bergbevölkerung ihre Ziegen weiden. Erst das erste Forstpolizeigesetz, Sanktionen gegen Zuwiderhandlungen und die zahlreichen Hochwasserkatastrophen im 19. Jahrhundert brachten schliesslich ein langsames Umdenken über nachhaltigere Nutzungsformen im Schutz- und Gebirgswald.
Hinweis
Die Präsentation des Buches «Nutzen und schützen. Johann Coaz (1822–1918), der Wald und die Anfänge der schweizerischen Umweltpolitik» von Karin Fuchs, Paul Eugen Grimm und Martin Stuber findet am Montag, 21. März 2022, um 18 Uhr im Uristiersaal in Altdorf statt. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei. Es wird um eine Anmeldung gebeten (Mail: veranstaltungen@kulturen-der-alpen.ch).