Uri zählt rund neunzig Kapellen, dreissig Kirchen, drei Klöster sowie etliche Bildstöcke, Gipfel- und Alpkreuze. Das ist Grund genug für das Urner Institut «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern, sich intensiver mit der Urner Sakrallandschaft auseinanderzusetzen. Am vergangenen Montag befasste sich das Institut im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung intensiv mit der Thematik. Am Nachmittag fand eine Führung zur bedeutenden Wallfahrtskapelle im Riedertal statt, am Abend standen mehrere Referate auf dem Programm. Sie beleuchteten die Urner Sakrallandschaft aus kulturhistorischer, theologischer und rechtlicher Perspektive.
Prof. Dr. Boris Previšić, Direktor des Instituts «Kulturen der Alpen», konnte dazu rund vierzig Personen im Uristiersaal in Altdorf begrüssen. Dabei unterstrich er, dass es dem Institut ein Anliegen sei, verschiedene wissenschaftlichen Disziplinen zusammenzubringen, um Themen zu ergründen.
Wallfahrten wurden gezielt initiiert
Dr. Martin Kopp, langjähriger Generalvikar der Urkantone, begrüsste die Anwesenden ebenfalls. Es freue ihn, dass das Institut «Kulturen der Alpen» sich nun intensiv mit dem kulturellen Erbe auseinandersetze, das der Glaube in den Alpen hinterlassen habe, sagt der Kirchenmann. Die Säkularisierung mache aber auch vor dem Kanton Uri nicht halt, Kirchen würden heute nicht mehr so rege genutzt. «Dennoch sind sie für viele Leute immer noch etwas Heiliges», sagte Kopp. Man stelle Kirchenbauten heute unter Schutz und für ihre Erhaltung würden trotz Säkularisierung weiterhin grosse Opfer erbracht. «Denn gerade im Kanton Uri geben die vielen Kirchen und Kapellen der Landschaft schliesslich eine Identität».
Der kantonale Denkmalpfleger Dr. Thomas Brunner brachte in seinem Referat den Anwesenden die Urner Sakrallandschaft näher. Er erläuterte ihre Geschichte – von den ursprünglichen drei Landespfarreien Altdorf, Bürglen und Silenen bis hin zu den reformierten Kirchen des 20. Jahrhunderts, die ein Bedürfnis der zugezogenen Industrie- und Bahnarbeiter befriedigten. Uri sei zudem reich an Wallfahrtskapellen, führte Brunner aus. «Diese sind nicht zufällig entstanden», sagt der Denkmalpfleger. «Sie wurden im Kanton Uri gezielt gefördert.» Umtriebige Kirchenleute hätten damit teilweise auch wirtschaftliche Interessen verfolgt. Um einen Wallfahrtsort zu begründen, seien vielerorts wundersame Legenden entstanden.
Gegenreformation prägt Uri bis heute
Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Luzern, erläuterte, dass gerade die Innerschweizer Sakrallandschaft geprägt sei von Bauten der Gegenreformation. Die Reformation hatte nicht nur eine Kirchenspaltung zur Folge, sondern auch eine Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche. Während sich die reformierte Theologie von Bildern, Sakralgegenständen und Reliquien lossagte und nur noch Christus und das Wort Gottes heiligte, machte die katholische Kirche genau das Gegenteil.
«Demonstrativ haben die Katholiken ein riesiges Gegenprogramm aufgefahren und eine offensive Sakralisierung vorangetrieben», sagte Ries. Dies hiess: Noch mehr Bilder, Reliquien, Kapellen, Wegkreuze und noch prunkvollere Bauten. Die Katholiken hätten Territorium sichtbar markiert, insbesondere in Gebieten nahe der Konfessionsgrenzen. Von diesem gegenreformatorischen Programm würden auch die vielen Wegkapellen in Uri zeugen, von denen sich die Reisenden den nötigen Schutz erhofften – jedenfalls die katholischen.
Kirchen müssen zonenkonform sein
Prof. Dr. Roland Norer, Mitglied der Institutsleitung von «Kulturen der Alpen» und Rechtsprofessor an Universität Luzern, befasste sich in seinem Referat hingegen mit den baurechtlichen Grundlagen für Sakralbauten. «Als Jurist muss ich mich ja bei einer Kirche stets fragen, ob sie rechtens hier steht und ob sie zonenkonform ist», scherzte Norer. Fakt sei jedoch, dass auch Kapellen, Kirchen und gar Gipfelkreuze heute den Bau- und Zonenordnungen unterstehen würden. Dabei gelte selbst bei Sakralbauten der Grundsatz, dass ausserhalb der Bauzone eigentlich nicht gebaut werden darf. Dies habe in jüngerer Vergangenheit an verschiedenen Orten in der Schweiz für Diskussionen gesorgt – 2014 etwa im Erstfeldertal.
Mit einem Augenzwinkern gab Norer in seinem Referat eine Anleitung dafür, was zu beachten wäre, falls jemand ausserhalb der Bauzone eine Kapelle oder ein Kreuz errichten möchte. «Ein absolutes Bauverbot ausserhalb der Bauzone gibt es nicht», sagte Norer. «Aber es müssen sachliche Gründe vorliegen, die einen Bau rechtfertigen würden.» Dabei spiele die so genannte Standortgebundenheit eine grosse Rolle. Eine Gedenkkapelle könne beispielsweise nur nahe einem Unglücksort erstellt werden. Aber auch ein Gipfelkreuz sei an einen Standort gebunden.
Der Standort spielte stets eine Rolle
Die Anwesenden hatten am Schluss die Möglichkeit, den Referenten Fragen zu stellen. Dr. Romed Aschwanden, Geschäftsführer des Instituts, fasste zudem die Referate treffend zusammen: «Der Standort eines Sakralbaus hat in allen geschichtlichen Epochen eine Rolle gespielt, die Kriterien dafür haben sich aber grundlegend geändert». Im Mittelalter oder der frühen Neuzeit seien oft Erscheinungen oder Kraftorte für eine Standortwahl grundlegend gewesen, heute die Raumplanung.