Bei den Recherchen und den Dreharbeiten für Fredi M. Murers Film «Wir Bergler in den Bergen…» entstanden viele interessante und sehr lebendige Tonbandaufnahmen, die nur zu einem kleinen Teil im Film Verwendung fanden. Diese werden nun digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht. Gleichzei-tig werden Studierende in Zusammenarbeit mit dem Institut «Kulturen der Alpen» diese Tonaufnahmen analysieren.
Fredi M. Murer realisierte in den Jahren 1973 und 1974 den Dokumentarfilm «Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld, dass wir da sind». Dieser thematisiert das Leben der Urner Bergbevölkerung im Göscheneralptal, im Schächental, auf dem Urnerboden und im Maderanertal. Der Film zeigt dabei die unterschiedlichen, nebeneinander existierenden Entwicklungsstadien des Bergkantons in den 1970er-Jahren.
Regisseur Fredi M. Murer kehrte von den Dreharbeiten in den Urner Bergen aber nicht nur mit belichteten Filmrollen ins Tal zurück: Mit im Gepäck hatte er rund 160 Magnet-Tonbänder. Sie waren bespielt mit atmosphärischen Klangbildern, Erzählungen und Gesprächen mit Bergbäuerinnen und Bergbauern sowie themenbezogene Interviews mit ver-schiedenen Persönlichkeiten. Mehrheitlich waren die Aufzeichnungen während den Filmaufnahmen vor Ort entstanden, die sich über vier Jahreszeiten erstreckt hatten. Im fertigen, 108 Minuten langen Film konnte aber nur ein kleiner Teil davon verwendet werden.
Auf Magnetbändern schlummern Schätze
Diese umfangreichen Tonaufnahmen sind wertvolle Zeitdokumente über die damalige Situation der Urner Berglandwirtschaft. Sie bieten nicht nur Einblicke in die damalige Lebenswirklichkeit der Bäuerinnen und Bauern, sondern auch in ihr Erleben und Denken, das von Tal zu Tal ganz unterschiedlich war. Diese Unterschiede kommen auch im Klang und Wortschatz der Dialekte zum Ausdruck. Die Berglerinnen und Bergler erzählen über ihr Leben, Wirken, Hoffen und Bangen und nehmen dabei oft Bezug auf ihre Vorfahren und deren alte Traditionen im rauen Berggebiet.
Auf diesen Magnetbändern schlummern auditive Schätze in Form von Lebenserinnerungen, Sagen, Armenseelengeschichten, Schulaufsätzen, Betrufen oder dem «Eid der Alpvögte». Zu hören sind aber auch atmosphärische Klangbilder und Geräuschkulissen, die selbst den Urnerinnen und Urnern heutzutage so kaum noch zu Ohren kommen.
Studierende analysieren Strukturwandel
Um die Tonaufnahmen für die Nachwelt zu erhalten und der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen, werden die Magnetbänder aktuell durch das peakfein studio von Paul Avondet und Sophia Murer digitalisiert. Sophia Murer ist die Tochter von Filmemacher Fredi M. Murer. Das peakfein studio ist unter anderem auf Filmrestaurationen spezialisiert. Die digitalisierten Tonaufnahmen werden ab Sommer 2021 auf einer Website für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Darüber hinaus ist in Zusammenarbeit mit dem Urner Institut «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern eine Lehrveranstaltung in Planung. Dabei sollen die Zeitdokumente gemeinsam mit Studierenden analysiert und kontextualisiert werden. Die Lehrveranstaltung wird sich aus historischer Perspektive dem Berggebiet der 1970er-Jahren annähern und sich intensiv mit dem Strukturwandel der Urner Berglandwirtschaft auseinandersetzen. Die in der Lehrveranstaltung entstehenden Arbeiten sollen ebenfalls auf der Website mit den Tonaufnahmen veröffentlicht werden.
Die Digitalisierung der Tonbänder wird finanziell durch die Dätwyler Stiftung und den Lotteriefonds des Kantons Uri unterstützt.