Nachhaltige Waldwirtschaft mit Rendite

Von links: Romed Aschwanden, Karin Fuchs und Martin Stuber. (Bild pd)

News

Johann Coaz (1822-1918) prägt die Forstwirtschaft bis heute. Das Institut «Kulturen der Alpen» präsentierte nun ein Buch, welches das Leben und das Wirken des Forstingenieurs beleuchtet.

Er war der erste eidgenössischen Forstinspektor des jungen Bundesstaates, doch er prägt die nachhaltige Waldbewirtschaftung in der Schweiz bis heute. Johann Coaz könnte in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass erschien nun ein Buch, welches das Leben und das Wirken des Bündners beleuchten. «Nutzen und schützen. Johann Coaz (1822–1918), der Wald und die Anfänge der schweizerischen Umweltpolitik» von Karin Fuchs, Paul Eugen Grimm und Martin Stuber ist das Resultat eines Forschungsprojekts des Instituts für Kulturforschung Graubünden.

Am Montag lud das Urner Institut «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern im Uristiersaal in Altdorf zur Buchpräsentation. «Die Thematik über einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Holz ist aktueller denn je», sagte Institutsleiter Boris Previšić bei der Begrüssung und verwies dabei auf die aktuell hohen Holzpreise. Mit vor Ort waren Dr. Cordula Seger, Geschäftsführerin des Instituts für Kulturforschung Graubünden, eine Autorin und einer der beiden Autoren: Dr. Karin Fuchs vom Institut für Kulturforschung Graubünden und Dr. Martin Stuber vom Historischen Institut der Universität Bern. Dr. Romed Aschwanden, Geschäftsführer des Instituts «Kulturen der Alpen», führte durch das Programm.

Wälder wurden massiv übernutzt

Karin Fuchs beleuchtete in ihrem Inputreferat die Biografie von Johann Coaz und das Umfeld, in dem er sich bewegt hatte: Nach seiner Ausbildung zum Forstingenieur arbeitete der Bündner anfänglich als Gebirgstopograf, half mit, seinen Kanton für die Dufourkarte zu kartieren. Danach betätigte er sich mehr als zwei Jahrzehnte für das Forstamt des Kantons Graubünden und kurz für jenes des Kantons St. Gallen, ehe ihn der Bundesrat 1875 zum ersten eidgenössischen Forstinspektor wählte. Während beinahe vierzig Jahren führte er dieses Amt aus, bis er mit 92 Jahren in den Ruhestand ging. In seinen Funktionen als Forstinspektor organisierte Coaz das Forstwesen komplett neu und schuf gesetzliche Regelungen für die Waldwirtschaft – ganz nach dem Prinzip: Nur so viel Holz schlagen wie nachwächst.

Eine nachhaltige Bewirtschaftung war dringend nötig: Die schnell wachsenden Städte und die Industrialisierung lechzten im 19. Jahrhundert nach immer mehr Holz. Für Kantone, Gemeinden und Korporationskörperschaften waren die Wälder wiederum wichtige Verdienstquellen. So wurden viele Wälder stark übernutzt und da wo noch junge Zweige nachgewachsen wären, liess die Bergbevölkerung Ziegen weiden. Die kaum mehr bewaldeten Berghänge wurden denn auch als Hauptursache für die zahlreichen Hochwasserereignisse Mitte des 19. Jahrhunderts betrachtet, weshalb der Bund 1874 die Oberaufsicht über die Gebirgswälder übernahm. Um den Waldbestand langfristig zu sichern, wurde 1876 das erste eidgenössische Waldgesetz erlassen. «Das Ziel war eine Nachhaltigkeit, mit der auch langfristig im Wald Rendite erzielt werden konnte», führte Historiker Martin Stuber in seinem Referat aus.

Grosses Netzwerk dank des ständigen Reisens

Der Bund setzte mit der neuen Gesetzgebung nicht nur strikte Regeln zur Waldbewirtschaftung, sondern förderte auch Verbauungs- und Wiederaufforstungs-Projekte. Johann Coaz hatte die mit Bundesgeldern finanzierten Projekte zu überwachen und wurde vielerorts als Experte herangezogen. So wandte sich beispielsweise die Urner Regierung in den 1870er-Jahren wegen des schlechten Zustands des Altdorfer Bannwaldes an ihn. Im Urserntal förderte er wiederum die Wiederaufforstung des Gurschen- und des Sankt-Anna-Waldes sowie die Errichtung von Lawinenverbauungen.

«Seine Arbeit konnte Johann Coaz nur schlecht von seinem Schreibtisch in Bern aus erledigen», sagte Karin Fuchs. Als Vermittler zwischen Bundesstaat und lokaler Behörden reiste der eidgenössische Forstinspektor im ganzen Land umher – der Ausbau der Eisenbahnen in dieser Zeit machte dies immer besser möglich. Vor Ort machte er sich mit lokalen Begebenheiten vertraut, pflegte Kontakte zu Entscheidungsträgern und Forstpersonal. Gleichzeitig organisierte er im ganzen Land Forstkurse, nahm vielerorts gar selbst Prüfungen ab. So baute er sich im Laufe der Jahrzehnte ein riesiges Netzwerk auf, auf das er stets wieder zurückgreifen konnte.

Tagebücher ermöglichen einen tiefen Blick in eine Epoche

Im anschliessenden Podiumsgespräch und in der Diskussion mit dem fachkundigen Publikum, wurde auch klar, dass Johann Coaz mit seinen Ideen zur Waldbewirtschaftung nicht nur offene Türen einrannte. Auf Gegenwehr stiess er vor allem dann, wenn er von oben herab diktieren wollte – beispielsweise als er die Nutzung der Waldweide im Kanton Graubünden einschränken wollte. Coaz war als kantonaler und später als eidgenössischer Forstinspektor stets darauf angewiesen, dass seine Ideen von den örtlichen Behörden und dem Forstpersonal mitgetragen wurden. Umso wichtiger war für ihn der der direkte Kontakt mit den Entscheidungsträgern vor Ort und das von ihm organisierte Kurswesen für das Forstpersonal. Diese mussten die gesetzlichen Vorgaben des Bundes letztlich durchsetzen.

Johann Coaz ist nicht nur eine spannende Figur der Geschichte, sondern lebte auch in einer dynamischen Zeit – einer Phase des Umbruchs. Er erlebte die Gründung und Anfangszeit des Bundesstaates, die Industrialisierung und der Ausbau der Eisenbahnen und Telegrafennetze hautnah mit. «Die Quellenlage über Johann Coaz ist zudem ausserordentlich gut», sagte Cordula Seger, Leiterin des Instituts für Kulturforschung Graubünden. Coaz hat von seinem 17. Altersjahr während beinahe achtzig Jahren Tagebuch geschrieben. Seine Tagebücher, Briefe und Veröffentlichungen ermöglichten einen einmaligen Blick auf eine ganze Epoche – und erlauben weitere Forschungsprojekte.


Hinweis

«Nutzen und schützen. Johann Coaz (1822–1918), der Wald und die Anfänge der schweizerischen Umweltpolitik» von Karin Fuchs, Paul Eugen Grimm und Martin Stuber wurde vom Institut für Kulturförderung Graubünden herausgegeben. Mehr Infos dazu gibt es unter https://kulturforschung.ch/publikationen/publikationen-ikg/nutzen-und-schuetzen