Der Schweizer Strommarkt ist im Umbruch. Dies wirft viele Fragen zur Zukunft der Energieproduktion in den Alpen auf: Wie nachhaltig ist Wasserkraft? Was sind alternative Energietechnologien? Wie nachhaltig sind diese Technologien, wenn man ihren ganzen Lebenszyklus betrachtet? Wie sollte eine zukunftsträchtige Stromproduktion gesellschaftlich und politisch organisiert sein? Wie könnte eine Kollaboration zwischen Stadt- und Bergkantonen aussehen? Und inwiefern stehen lokale und überregionale Energiestrategien in Übereinstimmung oder im Widerspruch zueinander?
Das Urner Institut «Kulturen der Alpen» und die Stiftung Alpines Energieforschungscenter AlpEnForCe wollen diese Fragen in einem offenen Dialog thematisieren. Sie organisieren dazu am Montag und Dienstag, 6. und 7. September 2021, in Göschenen eine öffentliche Tagung zum Thema «Wie nachhaltig ist Alpenstrom?». Mit dabei sind Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Praxis mit Inputreferaten und Podiumsdiskussionen.
Wasserkraft erlebt derzeit in Uri einen Boom
Einst war «weisse Kohle» ein Versprechen, auf das die Alpenländer ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert ihre Hoffnungen setzten. Mit imposanten Stauwerken in abgelegenen Bergtälern sollte die Stromversorgung der energiehungrigen Städte gespiesen werden. Im 20. Jahrhundert machten die beiden Weltkriege zudem deutlich, dass sich die Schweiz, ein Land ohne fossile Brennstoffe, in Krisenzeiten nicht allein auf Kohlen- oder Ölimporte verlassen durfte. Dies erhöhte die Nachfrage nach inländischer Energie und führte dazu, dass der Bau von Wasserkraftwerken bis in die 1970er Jahre massiv boomte. Dazu wurden ganze Täler und Dörfer geflutet.
Gegenwärtig beträgt der Anteil der Wasserkraft an der inländischen Stromproduktion rund 57 Prozent, wobei fast zwei Drittel davon in den Bergkantonen Uri, Graubünden, Tessin und Wallis produziert werden. Mit der Wende zu erneuerbaren Ressourcen und dem nationalen Entscheid zum Atomausstieg hat die Wasserkraft nun nochmals an Bedeutung gewonnen. Seit 2009 werden erneuerbaren Energien mit der kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gefördert. Mit der Annahme des revidierten Energiegesetzes 2017 hat das Stimmvolk den Ausbau der KEV für Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und Kleinwasserkraftwerke sowie eine temporäre Förderung von Grosswasserkraftwerken beschlossen. Dies führte insbesondere in Uri zu einem zweiten, kleinen Boom der Wasserkraft: Im Gotthardkanton entstanden in vergangenen rund fünfzehn Jahren mehrere neue Wasserkraftwerke, zudem wurden bestehende erneuert und ausgebaut. Auch der Windpark auf dem Gütsch ob Andermatt wurde erweitert. Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen, doch wie soll es mit der Stromproduktion in den Alpen weitergehen? Wo sind die Grenzen aus Sicht der Umweltbewegungen, der Finanzierbarkeit oder gesellschaftlichen Akzeptanz?
Teilnehmende diskutieren über Zukunftsszenarien
Am Montag, 6. September 2021, stehen in der «Aula elf elf» in Göschenen mehrere Inputreferate und zwei Podiumsdiskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern der Energiegesellschaften, der Wissenschaft und Urner Behörden auf dem Programm. Einerseits geht es dabei um die Infrastrukturbauten der erneuerbaren Energieproduktion. Die Teilnehmenden diskutieren dabei, welche Energietechnologien im Alpenraum besonders geeignet sind, wie nachhaltig sie im Endeffekt wirklich sind und wie realistisch ihre Umsetzung aus technischer, politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer und rechtlicher Perspektive sind. Andererseits werden sich die Teilnehmenden über lokale respektive überregionale Zukunftsvisionen zur nachhaltigen Stromversorgung austauschen. Am Dienstag, 7. September 2021, steht zudem eine gemeinsame Wanderung zum Stausee in der Göscheneralp mit verschiedenen Kurzinputs auf dem Programm.
Die Tagung «Wie nachhaltig ist Alpenstrom» wird finanziell unterstützt durch Elektrizitätswerk Ursern Gotthardenergie, EWA-energieUri, die Gemeindewerke Erstfeld, die Korporationen Uri und Ursern, die Urner Kantonalbank, die Universität Freiburg im Üechtland sowie die Gemeinden Altdorf, Andermatt und Göschenen.