Die Energiestrategie 2050 des Bundes verbindet den mittelfristigen Ausstieg aus der Kernenergie mit einem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und einer Verbesserung der Energieeffizienz. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Verwerfungen an den Energiemärkten, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, ist die Versorgungssituation in der Schweiz ungewöhnlich angespannt. Eine verstärkte Stromproduktion in den Alpen, etwa aus Wind- energie oder grossen Photovoltaik-Anlagen, könnte gerade im kritischen Winterhalbjahr einen Beitrag zur Energieversorgung der Schweiz leisten.
Gleichzeitig ist der Alpenraum in besonderem Masse schützenswert, da er nicht nur als Erholungsort für den Menschen, sondern auch als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten Bedeutung hat. Die zunehmenden Nutzungsinteressen stehen daher in einem Spannungsverhältnis zu einer Vielzahl entgegenstehender Schutzinteressen.
Derartige Interessenkollisionen aufzulösen, ist traditionell die Aufgabe des Rechts. Im Bereich der Stromerzeugung in den Alpen trifft eine Vielzahl anwendbarer Rechtsvorschriften aufeinander, etwa aus dem Raumplanungsrecht, dem Natur- und Heimatschutzrecht, dem Verfassungsrecht und dem Energierecht. Der Bundesgesetzgeber verkürzt aktuell die Rechtschutzmöglichkeiten in den ent- sprechenden Planungs- und Bewilligungsverfahren, um die Errichtung neuer alpiner Grossanlagen (wie etwa den Solarprojekten in Gondo und Grengiols) zu erleichtern. Hieraus ergibt sich eine Vielzahl neuer Fragestellungen, die auch das grundlegende Verhältnis von Gesetzgeber, Behörden, Vorhaben- träger:innen und Naturschutzverbänden betreffen. Dr. Markus Schreiber befasst in seiner energie- rechtlichen Forschung laufend mit den Rechtsfragen, die sich aus diesem Spannungsfeld ergeben.