Dieses Forschungs- und Kulturprojekt widmet sich der Frage, wie in Zeiten des drastischen Klimawandels die unabwendbare Transformation der Schweizer Alpenlandschaft verstanden und mental verarbeitet werden kann. Das Projekt reicht interdisziplinär in die Bereiche der Geologie, Geographie, Glaziologie, Meteorologie und politischen Ökologie aus. Es situiert sich gleichzeitig auch explizit im Transdisziplinären, indem es die Verbindung zwischen Wissenschafts- und Praxiswissen herstellt, sowie die Brücke schlägt zu den Künsten, d.h. im Konkreten zur partizipativen Theaterarbeit mit der lokalen Bevölkerung. Das Projekt adressiert planetare Fragen, ist aber gleichsam lokal verankert in den Alpenkantonen Glarus, Graubünden und Uri.
Im Unterschied zum 19. Jahrhundert werden alpines Eis und Schnee im Zeitalter des Klimawandels nicht mehr als etwas Bedrohendes, sondern vielmehr als etwas Bedrohtes wahrgenommen mit als symptomatischem Ausdruck das immer schnellere Abschmelzen der Gletscher. Diesen radikalen Umbruch begreift dieses Projekt als eine Überschreitung von Kipppunkten, die am konkreten Beispiel des Morteratsch-Gletschers und des Tödi-Gebiets kulturhistorisch nachgezeichnet werden. Diese Nachzeichnung erfolgt 1. kultur- und literaturwissenschaftlich, indem Gletscherbeschreibungen zwischen 1800 und der Gegenwart recherchiert und analysiert werden. Auf Basis des archivarisch aufbereiteten Materials adressiert 2. die partizipative Theaterarbeit Fragen nach einem neuen Verlustbewusstsein im Anthropozän angesichts der radikalen Veränderung des alpinen Lebensraumes. Die hieraus resultierenden künstlerischen Ausdrucksformen fließen wiederum in die kulturwissenschaftliche Analyse ein, die als Ganzes in Buchform publiziert wird.
Indem dieses Projekt sich kulturhistorisch mit den Kipppunkten alpinen Eises und Schnees auseinandersetzt, liefert es eine einzigartige historische Aufarbeitung eines zentralen kulturellen Identifikationsmythos der Schweiz, der die Bereiche der Wasserversorgung, des Tourismus, der Land- und Energiewirtschaft tangiert. Die Auseinandersetzung mit Fragen nach einem neuen Verlustbewusstsein im Anthropozän zielt darauf ab, einen relevanten Beitrag zu leisten zur aktiven Mitgestaltung der Herausforderungen im gesamten Alpenbogen und in anderen Gebirgsräumen im Hinblick auf Mitigation und Adaption. Schliesslich setzt sich die konzeptuelle Arbeit zum Ziel, neue theoretische Instrumente zu entwickeln, die zu einem besseren kulturhistorischen Verständnis des Alpenraumes in Zeiten des Klimawandels beitragen. Damit ist dieses Projekt sowohl von wissenschaftlicher, kultureller als auch von künstlerischer Relevanz.
Das Projekt wird institutionell getragen durch:
- Urner Institut Kulturen der Alpen, Altdorf
- Institut für Kulturforschung Graubünden, Chur
- Kulturgesellschaft Glarus
- Theater Bruderboot, Hätzingen GL
- Junges Theater Graubünden, Chur
- Universität Luzern