Zur Einstimmung auf die Abendveranstaltung trafen sich 20 Personen im Foyer des Theaters Uri zu einer kulturhistorischen Führung. Der Urner Denkmalpfleger Dr. Thomas Brunner führte durchs Tellspielhaus und ging dabei nicht nur auf dessen Entstehungsgeschichte, die Tellspiele und den Mythos Tell ein, sondern auch auf seine architektonischen Besonderheiten. So ist das Theater Uri wohl das einzige Theater, dessen Bühne mit einer Pferderampe zu erreichen ist.
Im Anschluss an die Führung begrüssten Barbara Bär, Präsidentin der Tellspielgesellschaft Altdorf und Prof. Dr. Roland Norer, Leitung Institut Kulturen der Alpen, die rund 40 Besucher und Besucherinnen im Zeughaus Uri zum Abendprogramm. Der Abend, wie auch bereits das Tellspiel 2024, diskutierte das Verhältnis von Befreiung und Rache.
Das erste Inputreferat thematisierte die historische Perspektive auf den Urner Mythos. Prof. Dr. Boris Previšić, Leitung Institut Kulturen der Alpen, führte in Vertretung des erkrankten Prof. Dr. Valentin Groebner aus, dass Tell kein Freiheitskämpfer war, sondern lediglich die Hauptfigur einer unwiderstehlichen Geschichte. Ein Agent, der weit vor Schiller und Altdorf, immer wieder für die eigene Sache neu und anders präsentiert wurde. Von einer rechtsphilosophischen Perspektive wurde der Tyrannenmord von Prof. Dr. Klaus Mathis, Universität Luzern, beleuchtet. In Schillers «Wilhelm Tell» war die Frage nach dem gerechtfertigten Widerstand zentral. Tell argumentierte, dass sein Attentat nicht mit dem von Parricida zu vergleichen ist, da er nur sich und seine Familie beschützen wollte. Aus heutiger Sicht, so Mathis, wären allerdings beide strafrechtlich verurteilt worden. Im letzten Vortrag des Abends teilte die Regisseurin Annette Windlin einige gedankliche Überlegungen zur diesjährigen Inszenierung. Auch sie legte den Fokus auf die Frage, ob es einen besseren und einen schlechteren Mörder gibt. Jedoch anders als Schiller liess Windlin diese Frage bewusst unbeantwortet, in der Hoffnung, etwas beim Publikum auszulösen.
Die anschliessende Podiumsdiskussion, moderiert von Previšić und ergänzt durch Chiara Zgraggen, eine Mitwirkende des Tellspiels 24, thematisierte insbesondere die Tatsache, dass in der diesjährigen Aufführung einige traditionell männliche Rollen von Frauen übernommen wurden. Zgraggen, die als Melchtalerin auf der Bühne stand, betonte, dass der Inszenierung kein explizit feministischer Charakter beigemessen wurde; vielmehr sei schlicht die geeignetste Person für die jeweilige Rolle gecastet worden. Auch Windlin erklärte, dass es für die Geschichte irrelevant sei, ob eine Rolle von einem Mann oder einer Frau gespielt wird, doch idealerweise hat dies einen Einfluss auf das Publikum. Mit Wünschen an die Produktion 2028 und einem Apéro fanden sowohl der Abend als auch Tell24 einen angeregten Abschluss.
Veröffentlicht am 29. Oktober 2024
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