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Energiewende in den Alpen – wie weiter?

Energiewende in den Alpen – wie weiter?

Der Solarexpress hat zügig Fahrt aufzunehmen. Die am 1. April 2023 in Kraft getretenen Änderungen des Energiegesetzes stellen die Weichen für die Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter sowie die Dekarbonisierung der Energieversorgung. Fossile Energieträger sollen durch erneuerbare ersetzt werden. Das Bewilligungsverfahren von Photovoltaik-Grossanlagen wird erleichtert und durch die Übernahme von bis zu 60 Prozent der Investitionskosten durch den Bund grosszügig subventioniert. Bis Ende 2025 sollen erste Anlagen ihren Strom ins öffentliche Netz einspeisen.

Wo die PV-Grossanlagen sinnvollerweise zu stehen kommen sollen, ist klar: in den Alpen. Denn gerade im Winter füllen diese in der alpinen Höhe im Unterschied zum nebenanfälligen Unterland die berüchtigte Winterlücke. Doch obwohl die Einsicht in die Notwendigkeit der Stromgewinnung durch erneuerbare Energien, und also von alpinen Solaranlagen, in der Bevölkerung gross ist, lässt sich eine gewisse Skepsis gegenüber solchen Projekten nicht übersehen. Wenig überraschend ist die Befürchtung von dem Solarexpress überrollt zu werden gerade in den betroffenen Regionen gross. Aber auch Interessensgruppen wie Naturschutz-Organisationen horchen auf und sehen die alpinen Landschaften gefährdet.

Nicht zuletzt veranlassten diese Befürchtungen das Urner Institut «Kulturen der Alpen» am 14. und 15. November einen internen Workshop durchzuführen, der sich der Debatte um die alpine Energiekulturlandschaft annimmt und der Frage nach der Gestaltung eines der Dekarbonisierung verpflichteten Alpenraums nachgeht. Der aktuellen Debatte rund um die Schaffung von Solarparks in den Alpen läge ein «Zielkonflikt zwischen dem akuten Bedarf am Ausbau erneuerbarer Energieproduktion und dem Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes, der Biodiversität, den Grad an ‹Wildnis› zu erhalten» zu Grunde, so die Organisatoren des Workshops Jens Badura, Annina Boogen und Boris Previšić. Ein wesentlicher Aspekt sei dabei die Umwandlung von bestehenden agrikulturell und forstwirtschaftlich, seit der Industrialisierung aber auch von Infrastrukturen wie Transitrouten, Wasserkraftwerken und Tourismusbauten geprägten Kulturlandschaften, in alpine Energiekulturlandschaften, welche für die «äusserst dringende Dekarbonisierung notwendig sind». Dass die damit verbundene «Transformation des ‹gewohnten› Landschaftsbildes» viel Verunsicherung hervorruft, zeige die Debatte deutlich.

Gemeinsam mit Gästen naturwissenschaftlicher (Norman Backhaus, Urs Müller und Jürg Rohrer) sowie kunsthistorischer (Annemarie Bucher) Provenienz wurde Prozessen der Wahrnehmung und Darstellung alpiner Landschaften vor dem Hintergrund der Implementierung solarer Grossanlagen und den damit verbundenen Fragestellungen und Kontroversen auf den Zahn gefühlt. Konkret beabsichtigte der Workshop durch die beteiligten Expertisen aus verschiedenen Disziplinen erste Ideen und Vorgehensweisen zu entwickeln, die einen konstruktiven und zukunftsorientierten Umgang mit den Nutzungs- und Zielkonflikten einer alpinen Energiekulturlandschaft bieten.

Damit die zu erarbeitenden Vorschläge und Konzepte sich nicht im luftleeren Raum des reinen Denkens bewegen, sieht sich die Workshop-Community in der Pflicht, sich direkt an den geplanten Solarprojekten mit den ihr zu Verfügung stehenden Kompetenzen zu beteiligen. Entlang zweier geplanter PV-Freiflächenanlagen am Bernina-Pass wurde ein Projektdesign skizziert. Mit den Beteiligten vor Ort wurde inzwischen bereits ein erster Kontakt hergestellt. Denn auf dem Bummler der Grundsatzdebatten wurde lange genug gefahren, nur das Bekenntnis zur Dekarbonisierung der Schweizer Energieversorgung dank des alpinen Raums kann die Weichen in Richtung Zukunft stellen.

Veröffentlicht am 15. November 2023

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